Als ich im Kindergarten gefragt wurde, was ich später, wenn ich groß bin, einmal werden möchte, sagte ich: „Naturforscherin!“ Warum? Na, weil ich es liebte, über Gräben zu springen, Käfer unter die Lupe zu nehmen und auf Bäume zu klettern. So läuft das ja, wenn man Naturforscher ist, dachte ich mir.
Dieser Schnapsidee sollte recht schnell die nächste folgen. Nur ein Jahr später, ich war schon recht erfahren und ging bereits in die Grundschule, dementsprechend war ich natürlich in der Lage, äußerst durchdachte und zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen, änderte ich meine Meinung und antwortete auf dieselbe Frage meines Klassenlehrers: „Klare Sache, Schriftstellerin. Ich werde Bücher schreiben.“
Und nun zu folgendem Problem: Meine Protagonistin Jo und ich haben eine lästige Gemeinsamkeit. Ich bin ebenfalls ein Dickschädel, das muss sie wohl von mir haben, und folglich kann eine Idee, die ich mir erst einmal in den Kopf gesetzt habe – selbst als kleines Mädchen, das an Körpergröße kaum seine Schultüte überragte und zu diesem Zeitpunkt gerade anfing, ein erträgliches Tauschgeschäft mit Stickern aufzuziehen – auch nicht so einfach ignoriert werden. Ich korrigiere: Sie kann nicht ignoriert werden. Nie.
So kam es, dass ich mich immer und immer wieder gefragt habe: So ein Mist, warum wollte ich damals nicht schlicht und ergreifend Lehrerin werden? Also dem Vorbild meiner Eltern folgen und die sind ja bekanntlich immer schlauer als man selbst. Ach, was rede ich. Ich hätte auch einfach sagen können, dass ich Polizistin werden möchte. Oder Feuerwehrmann. Oder Prinzessin. Klassische Antworten halt. Jacke wie Hose, ist doch alles realistischer, als Schriftstellerin werden zu wollen.
Nachdem ich also bereits in meinen frühesten Kindheitstagen versuchte, den Buchmarkt zu erobern, mit spannenden Geschichten wie »Die Tiere aus Afrika ziehen nach Jheringsfehn« oder »Mäusefamilie dumdidum«, schien die Idee erst einmal wieder unterzutauchen. Schließlich möchte man ja irgendwann doch etwas Geregeltes und da scheint das Schreiben nicht unbedingt die naheliegende Option zu sein. Jahrelang ließ ich das Notizbuch ein Notizbuch sein. Es gab ja wichtigere Dinge.
Aber was soll ich sagen? Irgendwann kam mein stupider Plan, den ich in gröbster Fahrlässigkeit als nichtsahnendes Schulkind ausgeheckt und nach dieser schwerwiegenden Entscheidung bestimmt zigmal unter „Das will ich später einmal werden“ in verschiedene Freundschaftsbücher gekritzelt hatte, doch wieder aus irgendeiner verschollen geglaubten, dunklen Ecke meines Gedächtnisses gekrochen. Geradezu mit an Böswilligkeit grenzender Dynamik schaffte das Hirngespinst es, mich ratzfatz wieder in dasselbe naiv-jauchzende Schulmädchen zu versetzen, das ich damals vor zwanzig Jahren war. Und schon war es wieder wie früher. „Klare Sache, Schriftstellerin. Ich werde Bücher schreiben.“
Die Idee hatte nur darauf gewartet. Auf den Showmoment. »Mörderische Unschuld« – ich bin stolz wie Oskar. Und so gespannt auf eure Reaktionen.